Nicht nur Pfefferkuchenhäuser sind aus Backwerk – auf Rügen und Hiddensee findet man noch viele der traditionellen Backsteinhäuser. Ursprünglich wurden auf einem Feldsteinsockel mit einem Fundament aus Granitstein-Findlingen und gestampften Lehm die Häuser mit handgeformten getrockneten oder auch gebrannten Lehmsteinen erreichtet. Oft kombinierte man Fachwerk für die Bauweise, als reines Verbundmauerwerk ohne Holzständerkonstruktion findet sich meistens aber nur gebrannter Lehmstein, der sogenannt Backstein. Abhängig von seiner Festigkeit wird er auch als Ziegel, Ziegelstein oder Klinker bezeichnet.
Eine Wand aus altem Backstein wirkt durch ihre oft unregelmäßige Färbung lebendig. Besonders bei feuchtem Wetter, wenn alles andere grau in grau erscheint, leuchten die unterschiedlichen Farben mancher Backsteinarten in Nuancen von hellgelb bis violett. Die in dem Ton enthaltenen Mineralien und die Sauerstoffverhältnisse in der Ofenatmosphäre beim Brennvorgang erzeugten diesen zufälligen Effekt, der jeden Stein zu einem handgefertigten Unikat macht.
Für sakrale Bauten verwendete man eher rote (also pupurne), möglichst ebenmäßige Steine, die auch in einem größeren Format (Klosterformat) als für den Privathaushalt angefertigt wurden. Um Säulen, Fensterprofile und Strukturelemente bauen zu können brannte man sogenannte Formsteine, die im Fachjargon unserer Maurer wegen ihres Profils auch „Männchen“, „Püppchen“ und noch was anderes genannt wurden (ob das aber nun die offizielle Bezeichnung war bleibt Legende – Maurerlatein eben).
Ob nun Standard- oder Klosterformat, Formstein oder Läufer, zunächst musste der vor Ort vorhandene Ton in eine Ziegelmodel (ein nach oben offener Kasten) gepresst werden, und über den Winter trocknen, so dass er ausfriert.
Und da war dann auch die Gelegenheit im wahrsten Sinn einen prägenden Eindruck zu hinterlassen: wenn Sie aufmerksam suchen, können Sie ab und zu Pfotenabdrücke von Tieren finden, die über die noch weichen Rohlinge gelaufen sind – man nennt diese zufällig entstandenen Zeitzeugen auch Glückssteine, sie wurden als gutes Omen oft mit eingemauert.
Außerdem wurden auch Handwerkszeichen, Nummerierungen oder sogar Hausmarken in den Ton für den Backstein geritzt. In einigen alten Kirchenwänden (z.B. Altenkirchen und Schaprode) finden sich aber auch Runenzeichen, die nachträglich in den gebrannten Stein geritzt wurden. Das auf diese Art herausgeschabte Steinmehl von Gotteshäusern diente in früherer Zeit als Heilpulver.
Ich bezweifle zwar, dass Ihnen ein Rügenaufenthalt zwischen Backsteingotik, Naturlandschaften und Kulturerlebnissen langweilig wird… sollte es aber doch der Fall sein, dann schlagen Sie bitte nicht mit dem Kopf gegen die Wand, sondern betrachten sie diese mit der gebührenden Aufmerksamkeit. Ziegel sind vielleicht altbacken, aber sie erzählen Geschichten.
P.S.: In der Scheune sind 3 Formsteine (2 Püppchen und eine…) aber auch 1 Pfötchenstein vermauert. Ob Sie sie alle entdecken? Kleiner Tipp: NICHT gemeint ist der sogenannte Mäusesturz an der Giebelseite (ein Streifen der verhindert, dass Mäuse an der Wand heraufklettern): Dieser wurde aus einfachen Steinen gemauert und beinhaltet laut meiner Maurer eine „Titte“ (na gut jetzt habe ich es doch gesagt).
Schöne Seite, weiter so!